Ulbrichts letzter Leibarzt
Sich an „Die Welt von gestern“ (Stefan Zweig) zu erinnern tut gut, da man schlecht im Heute leben kann ohne zu wissen, was gestern war. Sich an die DDR zu erinnern ist für viele schmerzlich. Für die einen, was sie erleiden mussten und für die anderen, was sie verloren haben. Eine geeignete Art und Weise sich zu erinnern, um historische Bezugspunkte für das eigene Lebensgefühl einzuordnen, ist noch nicht gefunden. Die DDR-Erinnerungskultur ist ambivalent, verfeindet und wenig objektiv.
Walter Ulbricht steht für den Bau der Berliner Mauer und seinen Ausspruch, „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“ Es ist sicher schwierig, ihm nachträglich ein Denkmal zu setzen. Ob Egon Krenz, als Ulbrichts Nach- Nachfolger, das mit seinem Buch „WALTER ULBRICHT – Zeitzeugen erinnern sich“ beabsichtigt hat, wird jeder beurteilen, der es liest. Ich las mit großer Überraschung darin, dass Ulbrichts Leibarzt auch mein Hausarzt ist. Ein kleines bisschen spektakuläre Weltgeschichte, direkt vor meiner Nase, in der Provinz. Das hat mich neugierig gemacht.
Ich kenne Dr. Rainer Fuckel, Leib- und Hausarzt, seit mehr als zwanzig Jahren. Er ist für mich ein äußerst freundlicher und sehr versierter Vertrauensarzt. Als ich ihn für diesen Artikel interviewe, erzählt er: „Mir wurde es nicht leicht gemacht damals in Bad Liebenstein. Aber in Ruhla hatte ich gute Freunde, die mir halfen bei meinem Neustart.“ Mit großem Einsatz begann er 1989 unter schwierigsten Bedingungen zu praktizieren. Zu seinen Praxisräumen, die ein Ruhlaer Unternehmer zur Verfügung gestellt hatte gelangte man nur über eine enge, ölgetränkte Holztreppe. Doch über die Zeit des schweren Neuanfangs spricht er nicht gerne. Gleichwohl meisterten er und seine Frau sie perfekt und die Praxis wuchs und seine Patienten vertrauten seinem ärztlichen Können. „Arbeiten und für meine Patienten da sein, ist mein Leben.“ Und man glaubt es ihm. (more…)